10. August 2021

Deutsche Wohnen & Co. enteignen? Ja. Genossenschaften enteignen? Nein.

DWE Aktivist*innen vor einem Berliner Hochhaus

„Für bezahlbare Mieten für alle“ – so lautete das Ziel und der Slogan, mit dem die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ zwischen dem 26. Februar und dem 25. Juni 2021 fast 360.000 Unterschriften sammelte. Um dem Mietenwahnsinn in Berlin entgegenzuwirken, fordert der Volksentscheid den Senat auf, ein Gesetz zu erlassen, durch welches die Wohnungsbestände von allen privaten, profitorientierten Immobilienkonzernen mit mehr als 3.000 Wohnungen vergesellschaftet werden.

Genossenschaften werden nicht enteignet

Genossenschaften spielen bei dem Ziel, allen Menschen in Berlin ein bezahlbares Zuhause zu sichern, eine sehr wichtige Rolle. Deshalb nimmt der Volksentscheid Genossenschaften ausdrücklich von der Vergesellschaftung aus. Genossenschaften werden nicht enteignet.

Am 26. September 2021 stimmen wir alle beim Volksentscheid über diesen Beschluss ab: „Ziel einer Vergesellschaftung ist die Schaffung von Gemeineigentum, weshalb Unternehmen in öffentlichem Eigentum oder in kollektivem Besitz der Mieter:innenschaft oder gemeinwirtschaftlich verwaltete Unternehmen rechtssicher ausgenommen werden sollen.“ Bei Wohnungsbaugenossenschaften handelt es sich um genau das: gemeinwirtschaftlich verwaltete Unternehmen. Im Entwurf für ein Vergesellschaftungsgesetz heißt es sogar detailliert: „Nicht vergesellschaftungsreif sind gemeinwirtschaftliche Unternehmen des Privatrechts, insbesondere Genossenschaften“. 

Was genau ist Gemeinwirtschaft?

Auch Artikel 15 des Grundgesetzes, auf dem der Volksentscheid fußt, ist eindeutig: Die Vergesellschaftung verfolgt das Ziel, die betreffenden Wohnungen in „Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft“ zu überführen. Deshalb können Genossenschaften nicht vergesellschaftet werden!

Kritiker:innen stellen das in Frage. So erhielten im April mehrere tausende Genossenschaftsmieter:innen den Einleger „Viel Gemeinsam“ als Beilage ihrer Mitgliederzeitungen. Dort wird behauptet, dass Genossenschaften aus Folgendem Grund nicht von der Vergesellschaftung ausgenommen werden könnten: „Genossenschaften sind kein Gemeingut. Sie gehören über Mitgliedsanteile den Mitgliedern. Sie sind privatwirtschaftliche Unternehmen, formal eine juristische Person […]. Sie erzielen Gewinne zur Reinvestition in den Bestand und können Dividenden an ihre Mitglieder ausschütten“.

Diese Feststellung greift juristisch jedoch zu kurz. Zwar sind Genossenschaften in der Tat Gemeingut „nur“ ihrer Mitglieder und nicht der gesamten Berliner Bevölkerung. Doch Artikel 15 des Grundgesetzes bezieht sich eben nicht nur auf „Gemeineigentum“, sondern ausdrücklich auch auf „andere Formen von Gemeinwirtschaft“. Und genau hierzu zählen Genossenschaften – zumindest dann, wenn ihr Hauptzweck eben nicht der Profit ist, sondern die Versorgung ihrer Mitglieder mit einem lebensnotwendigen Gut.

Jurist:innen sind sich einig: Genossenschaften können nicht enteignet werden

Kritiker:innen des Volksentscheides, die behaupten, Genossenschaften müssten beim Volksentscheid profitorientierten Unternehmen gleichgestellt werden, ignorieren, dass zahlreiche rechtliche Kommentare zum Grundgesetz Genossenschaften eindeutig von profitorientierten Unternehmen unterscheiden. Diese Kritiker:innen entfachen bewusst damit fälschlicherweise Sorgen bei den Mitgliedern der Genossenschaften.

Viele Genossenschaftsmitglieder sind in der Initiative aktiv. Die Initiative nimmt die Sorgen der Genossenschaften ernst und setzt sich für Ihre Interessen ein. Deshalb wurden von verschiedenen Seiten Rechtsgutachten eingeholt: Nicht eines der veröffentlichten Gutachten sieht ein Problem darin, Genossenschaften von der Vergesellschaftung auszunehmen.

Hinzu kommt: Jede der im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien hat sich unmissverständlich gegen die Vergesellschaftung von Genossenschaften ausgesprochen. Es hat also niemand ein Interesse daran, Genossenschaften zu gefährden! Und auch wenn Deutsche Wohnen & Co gegen ein verabschiedetes Gesetz klagen sollten, können Genossenschaften nicht nachträglich vergesellschaftet werden. Das ist rechtlich nicht möglich.

Gemeinsam die Gemeinwirtschaft stärken

Steigende Mieten sind ein komplexes Problem, das viele Einzellösungen braucht; ein Allheilmittel gibt es nicht. Um bezahlbare Mieten für alle zu garantieren, braucht es neben der Vergesellschaftung der Bestände großer Immobilenunternehmen auch sozialen Neubau, der durch gemeinwohlorientierte Wohnungsunternehmen wie die zukünftige Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) angekurbelt werden kann.

Genauso wichtig sind für dieses Ziel die Genossenschaften, denn sie sind ein Musterbeispiel dafür, dass gut instandgehaltene Wohnungen auch ohne Spekulation und Höchstmieten finanzierbar sind. Schließlich sorgen sie schon lange für die Versorgung ihrer Mitglieder mit gutem, sicherem und bezahlbarem Wohnraum. Genau diese Form der Gemeinwirtschaft will der Volksentscheid stärken und ausbauen. Darum dienen die Genossenschaften der zukünftigen AöR als Vorbild und Partner in Sachen Gemeinwirtschaft. 

Zugleich werden auch die Genossenschaften langfristig davon profitieren, wenn nach einem erfolgreichen Volksentscheid die Kaufpreise in Berlin sinken werden. Dann werden auch Genossenschaften für ihre Mitglieder neuen Wohnraum günstiger schaffen können. Der Volksentscheid lädt daher dazu ein, die Gemeinwirtschaft, von der Genossenschafter:innen bereits heute profitieren, gemeinsam zu stärken und auszubauen.

Siehe auch unseren Flyer zu Genossenschaften